Chorreise 2019 nach Füssen/Tannheim

Kamen auf der Reise ins Tessin 2017 die Liebhaber anhaltender und sintflutartiger Regenfälle auf ihre Rechnung, so war die heurige Ausgabe eher ein Fest für die Freunde langer Carfahrten. Und genügten die knapp siebenhundert gefahrenen Kilometer auch nicht zum Knacken des Allzeit- Rekords (Parma 2001) so reichte es Dank zahlreicher Passüberquerungen und Extraschlaufen dennoch für einen Spitzenplatz in der Kategorie „Reisedauer“ in die Annalen des Antonius-Chores.

Mit etwas Wehmut konstatierte man am frühen Samstagmorgen, nach Eintreffen des beinahe vollständig angetretenen Chores samt Partnern und Ehemaligen, sowie deren Partnern: die Zeiten in denen es Fünfzig-Plätzer-Cars brauchte, sind endgültig vorbei. Doch die vielversprechende Affiche mit Schloss Neuschwanstein vor Augen liess alle Trübsal rasch vergessen und wir fuhren bei gutem Wetter zügig Richtung Bodensee. Bei der Kaffeepause kam mit der Frage nach der ID ein erster Schreckensmoment, lag doch die meinige sicher verwahrt zu Hause. Und so ging es trotz finsteren Aussichten im Falle einer Grenzkontrolle – Chauffeur Markus sprach von stundenlangen Verzögerungen – in stetig wechselnder Folge durch Österreich, Deutschland, Österreich und dann wieder Deutschland usw. nach dem schönen Füssen. Nach freiem Aufenthalt für Rundgang, Mittagessen, dem Kauf von zu Kugeln zusammengeknetetem Gebäck, oder Dirigier-Trockenübungen an den Gestaden der hellgrün gefärbten Lech, gab es eine kurzweilige und spannende Führung durch das vom Krieg verschonte und daher nahezu unveränderte, auf der römischen Verkehrsachse Venedig – Augsburg gelegenen Städtchen. In Erinnerung blieben unter anderem die anschaulichen Ausführungen über Geigenbauer, Flösser und bedauernswerte Galgenvögel.

Auf der Weiterfahrt zum Nachtquartier im Hotel Sägerhof im Tannheimer Tal in den Allgäuer Alpen, blieb die freudige Erwartung einen Blick auf das berühmte Schloss zu erhaschen leider unerfüllt. Nach Geburtstagsapéro und -Ständchen für unseren Chorleiter und einem guten Nachtessen tauchten wir zu vorgerückter Stunde ins lokale Nachtleben ein. Dabei dürfte unser Chor dem Barpersonal vor allem wegen den eher unkonventionellen Bestellungen wie etwa Kamillentee oder Holdrio in Erinnerung bleiben. Nach Erwachen aller Teilnehmer ging es am Sonntagmorgen anstelle der ursprünglich geplanten Spaziergänge durch die nunmehr verregnete Berglandschaft zurück nach Füssen, zur Mitwirkung im sonntäglichen Hochamt.

Der hier folgende zweite Schreckensmoment, diesmal während der Messe in der barocken Kirche St. Mang, Stichwort: Ave Maria von Arcadelt, blieb Dank Giuseppes souveränem Handling der Krise für viele Zuhörer vermutlich unerkannt. Der örtliche Organist mit wilder Amadeus Frisur erwies uns zum Auszug mit einer fulminanten Improvisation, welche mit «Happy Birthday» für einen lokalen Jubilar begann und mit unserer Nationalhymne endete, eine gelungene und schöne Referenz.

Wenn es auch nicht für einen Besuch des Schlosses König Ludwigs des zweiten reichte, so gab es doch noch Gelegenheit aus dem fahrenden Car einen kurzen Blick auf das weltberühmte, im Regen allerdings grau und überraschend unansehnlich wirkende Bauwerk zu werfen. Für Interessierte sei der Dokumentarfilm «Terra X Superbauten Neuschwanstein» sehr empfohlen.

Bei wechselhaftem Wetter führte uns die Fahrt auf und ab durch die malerischen Berge und Täler des Allgäu und des Tirol zurück ins abendliche Wettingen. Fazit: Angesichts der Ansprüche, keine langen Gehwege oder gar Treppen, Mitwirkung im Gottesdienst, bezahlbare aber schöne Unterkünfte und gutes Essen, ist es unseren lieben Reiseplanerinnen einmal mehr gut gelungen, alles unter einen Hut zu bringen. Dafür ein grosses Dankeschön! Und es ist halt so: wo gehobelt wird, fallen Späne – und manchmal sogar ganze Schlösser.

Geri Weibel / 06.11.2019