Chorreise ins Gantrischgebiet

Es war nur eine sogenannt „kleine Chorreise“ am Samstag, 21. Juni 2014. Klein, aber fein, von Emilia Baldi und Helen Müller phantasievoll und umsichtig organisiert. Die An- fahrt im bequemen Bus via Bern und Richtung Thun verlief vorerst ereignislos. Aber schon bald nach Verlassen der Autobahn und der Fahrt durch Belp und Kehrsatz tat sich ein überraschender Blick auf das Panorama mit der Stockhornkette und den dahin- ter glänzenden Majestäten der Berner Alpen mit Eiger, Mönch und Jungfrau auf. Zim- merwald, unser erstes Etappenziel war bald erreicht. Zimmerwald, ein verschlafenes Bauerndorf? Mitnichten! Zimmerwald ist wohl der Ort in der Schweiz mit dem grössten Weitblick und den besten Informationen. Hier steht ein hochtechnisches astronomi- sches Observatorium. Mit diesem haben Wissenschaftler schon Asteroide und Super- novas entdeckt, die vorher noch niemand gesehen hatte. Die GPS-Geostation Zimmer- wald empfängt und verarbeitet astrometrische Daten, welche u.a. der Landestopografie zur Vermessung und Kartografie dienen. Und schliesslich betreibt der NDB mithilfe ei- ner grossen Parabolantenne und angegliederter Einsatzzentrale das Schweizer Satelli- tenabhörsystem. Auch wurde in Zimmerwald tatsächlich Weltpolitik gemacht. Getarnt als ornithologischer Verein fand hier im September 1915 eine geheime internationale sozialistische Konferenz statt mit Teilnehmern aus ganz Europa. Auch Lenin und Trotz- ki, die nachmaligen Führer der russischen Oktoberrevolution waren mit dabei. Das dort verfasste „Zimmerwalder Manifest“ mit dem Aufruf „Proletarier aller Länder …“ erlangte einige Berühmtheit. In Zimmerwald selber ist dieses unfreiwillige historische Erbe aller- dings wenig beliebt. So wurden von der Gemeindebehörde Denkmäler und Gedenkta- feln jeglicher Art verboten.

Auch wir liessen diese Berühmtheiten links liegen. In unserem Reiseplan vorgesehen war nämlich Streit. Nein nein, natürlich kein Streit im Chor; da herrschen nur Eintracht und Frieden. Aber Streit ist wohl der häufigste Familienname in Zimmerwald, und die Familie Streit betreibt auch den Hof „be dr Chiuche“, wo wir zu einer Besichtigung freundlich empfangen wurden. Ein behäbiges, gestandenes Berner Bauernhaus. Woh- nung samt Gästezimmern, Tenne und Viehstall – alles unter einem mächtigen Dach.

Kathrin Streit, offensichtlich die gute und rührige Seele des Hauses, führte uns durch das Anwesen. Wir konnten den Rundgang mit allen Sinnen – optisch, akustisch und ol- faktorisch – geniessen. Schade, dass unser armer Präsident nicht dabei sein konnte; seine fachkundigen, veterinärmedizinischen Kommentare wären sicher interessant ge- wesen. Eine kurze Fahrt brachte uns zur Kaffeepause auf dem benachbarten Hof

„Chueweid“. Dort stand für uns eine köstliche „Züpfe“ von rekordverdächtiger Länge bereit. Unser Chorleiter griff anstatt zum Taktstock zum Messer und schnitt geduldig Scheibe um Scheibe vom Wunderwerk ab. Die frisch gepflückten Erdbeeren und Kir- schen waren ebenfalls ein Genuss.

Nach einer abwechslungsreichen Panoramafahrt via Riggisberg und über den Gurnigel erreichten wir Guggisberg, das Hauptziel unserer Reise. In der schmucken, denkmalge- schützten Dorfkirche erzählte uns Frau Lydia Bucher viel Interessantes über die histori- sche Entwicklung dieser Gegend, und natürlich die wahre, traurige Geschichte vom Vreneli und Simes Hans-Joggeli, wie sie sich im 17. Jahrhundert tatsächlich zugetragen haben soll. Da konnten wir natürlich nicht mehr anders und mussten das Guggis-

berglied anstimmen, sangen aber nur die ersten paar der unendlich vielen Strophen. Nach einer Führung durch das Vreneli-Museum war dann für uns im „Sternen“ der Tisch zum Mittagessen gedeckt.

Unser Reisecar war aussen gross mit „Kobolt“ angeschrieben. Während der Mittags- pause muss sich dieser Kobolt in einen echten Kobold verwandelt haben, welcher sich Zugang zum Motorraum verschaffte und das Getriebe oder die Kupplung so demolierte, dass an eine Weiterfahrt nicht zu denken war. Da eine kurzfristige Reparatur unmöglich war, musste unser Chauffeur einen Ersatzbus organisieren. Die unfreiwillige Wartepau- se benützten einige, besonders Senioren, von Schwester Angela seelsorgerlich beglei- tet, zum Besteigen des Guggershörnli. Für den steilen Aufstieg mit den vielen Treppen wurden die eifrigen Wanderer mit einer herrlichen Aussicht belohnt. Um dem bösen Ko- bold den Meister zu zeigen traf schliesslich ein aus Thun herbeigerufener Meister-Car ein. Dieser führte uns über Hügel und unbekannte Dörfer und Weiler (wer kennt schon Guuhet, Chnöwis, Chüejerli, Zuckerli, Chaspera, usw.?) zum Schwarzsee. Der dort vor- gesehene Aufenthalt musste notgedrungen stark abgekürzt werden, aber immerhin reichte es noch zu einem kurzen Spaziergang am See und einem kühlen Trunk. Nach der Rückfahrt durchs Freiburgerland via Düdingen und Bern konnten wir wohlbehalten und gutgelaunt zuhause bei der Kirche St. Anton aussteigen. Wir durften eine interes- sante, abwechslungsreiche Reise durch eine den meisten kaum bekannte Gegend ge- niessen. Den beiden Organisatorinnen gebührt dafür ein ganz grosses Dankeschön. HJ